Allianz Nürnberg

Eine Erfolgsgeschichte Teil2

  • Fr, 12. Feb 2021
Vor kurzem haben wir euch die Geschichte von Aboud erzählt. Wie es weiterging erfahrt ihr hier und heute.

Eine Erfolgsgeschichte Teil 2:

Ziemlich beste Freunde

Vom Geflüchteten zum LKB in fünf Jahren: Außergewöhnlich ist nicht nur die Lebensgeschichte des Syrers Abdulrahman Alsoudi. Sein unermüdlicher Fleiß und die enge Freundschaft zu seinem Vorgesetzten sind es auch. Porträt einer Ausnahmeerscheinung

Text Sandra Michel
Fotos Sebastian Lock

Die Tür geht auf: »Griaß di!«, sagt Abdulrahman Alsoudi und lacht. Er rückt sich einen Sessel zurecht, daneben sitzt Raphael Dimpfl und sagt: »Wie man hört, ist Aboud in Bayern längst angekommen.« Der 37-Jährige hat Alsoudi vier Jahre lang als Leiter Verkaufsregion betreut. Alsoudi, den Kollegen und Kunden bei der Allianz nur Aboud nennen, hat Geschichte geschrieben: eine deutschsyrische Erfolgsstory. 

Im Jahr 2016 ist Aboud nach seiner leidvollen Flucht aus Syrien als nebenberuflicher Vertreter der Allianz gestartet und übernahm Anfang 2020 eine Planstelle als Leiter Kundenberatung. 250 neue Kunden hat Aboud seitdem gewonnen. »Das ist außergewöhnlich«, sagt Raphael Dimpfl, der Aboud von Anfang an als Mentor begleitet hat. 

Den Raum in der Nürnberger Geschäftsstelle, in dem sich die Männer mit der Allianz Blaue Post zum Interview treffen, nennen Mitarbeiter salopp »Wohnzimmer«, weil er mit Sofas, bunten Kissen, Gemälden und Büchern auf dem Couchtisch dekoriert ist. Das Wohnzimmer bietet mehr als eine angenehme Atmosphäre für ein Gespräch über Abouds Biografie, Freundschaft unter Kollegen und die Neuentdeckung von Heimat. Kürzlich diente der Raum als Kulisse beim Dreh eines Videos für Facebook. Darauf sind der LKB und einer seiner Nebenberufsvertreter zu sehen, wie sie potenziellen Kunden Sinn und Zweck einer Haftpflichtversicherung erklären. Nach einer halben Stunde hatten Facebook-Nutzer das Video 17 000-mal aufgerufen, nach drei Tagen hatte es 30 000 Likes. Mit der Bearbeitung der Anfragen waren Aboud und sein Kundenmanager wochenlang beschäftigt.

Dass sich der Erfolg von Aboud in Zahlen messen lässt, ist kein Zufall, hat er sich als Wirtschaftsinformatiker und Finanzanlagenfachmann doch der Mathematik verschrieben. Trotzdem ist er kein reiner Kopfmensch. Die Zahlen stimmen, weil er bei den Kunden gut ankommt und die Geschäfte auch mit dem Herzen macht. Seine Kunden vertrauen ihm. »Die grobe Struktur gebe ich vor, Aboud sorgt für die Wohlfühlatmosphäre«, sagt Dimpfl. Zur Allianz oder ein Informatikstudium absolvieren – das waren Abouds Pläne im Jahr 2017, als er der Allianz Blaue Post zum ersten Mal ein Interview gab. Damals hatte er sich bereits vom Kundenkontakter weiterentwickelt und jobbte seit fünf Monaten als NV. Die Vertriebsausbildung, die er damals begann, hat er inzwischen mit der IHK-Prüfung abgeschlossen. Das passte. Denn dass Vertrieb ihm liegt, beweist nicht erst seine Erfolgsquote bei der Allianz: In den letzten Jahren in Syrien leitete er eine Textilfirma, bei der er auch für den Vertrieb zuständig war. In Deutschland stand im Vordergrund: Geld verdienen, um seine Frau und die beiden Töchter zu versorgen. »Es war eine gute Entscheidung«, sagt er heute. 

Die Freundschaft zwischen Raphael Dimpfl und Aboud ist eine Konstante im Leben der beiden Männer. Der deutsche Geschäftsalltag stellt Aboud immer wieder vor Herausforderungen, die sie gemeinsam bewältigen. Da ist zum Beispiel die Sache mit der Pünktlichkeit. Wenn Raphael Dimpfl sagt, »Aboud pflegt eher die arabische Pünktlichkeit. Damit muss man sich arrangieren«, dann lacht Aboud und nickt. »Zeit ist wirklich mein Problem.« Was er damit meint: Er kommt mit der Arbeit manchmal kaum hinterher, denn sobald er sich bei einem Kundentermin befindet, erreichen ihn allein bis zu 15 Anrufe in Abwesenheit. 

»Er ist ein Workaholic«, antwortet Raphael Dimpfl auf die Frage, was Aboud so außergewöhnlich erfolgreich macht. »Eigentlich arbeitet er immer. Irgendwann habe ich ihm verboten, mir WhatsApp-Nachrichten nach 20 Uhr zu schicken. Sonst kommen die bis morgens um halb drei.« Der Arbeitsalltag von Aboud startet gegen zehn Uhr in seinem Homeoffice in Beratzhausen, wo er mit seiner Familie ein Reihenhaus gemietet hat. Den Rechner fährt er oft erst spät runter. Ob er keine Angst hat, dass es ihm zu viel wird? Was heißt zu viel, kontert er lapidar. Deshalb gibt es zwischen Dimpfl und Abouds Ehefrau eine Vereinbarung: Lin darf ihn anrufen, damit er ihr den Mann nach Hause schickt. 

Abouds Erfolgsgeschichte beginnt tragisch: mit der Flucht aus Aleppo im Jahr 2013. Zunächst zieht die Familie in die Türkei, von wo Aboud anfangs noch nach Aleppo pendelt und sich weiter um die Geschäfte seiner Textilfabrik kümmert. Bald kann er nicht mehr nach Aleppo fahren, sucht in der Türkei vergeblich nach Arbeit. Jetzt macht er sich auf die schwerste Reise seines Lebens: Von der Türkei über Algerien, Libyen, Italien und die Schweiz führt sie ihn schließlich nach Deutschland. Aboud ist allein unterwegs, im Gepäck trägt er nur die Angst – und ein bisschen Hoffnung. Doch er hat Glück: Nach einem Jahr darf er Frau und Kinder nach Deutschland holen. Langsam beginnen die Alsoudis, sich zwischen Sprachkursen, Asylverfahren und Jobmessen ein neues Leben aufzubauen. 

Heute, im Jahr 2020, steht seine Frau Lin kurz vor dem Abschluss zur Kinderpflegerin, seine 13-jährige Tochter besucht die Mittelschule, und die Achtjährige geht in die Grundschule. Seine Nachbarn füttern die Katze, wenn er im Urlaub ist. Ein Bruder Abouds studiert in Regensburg Informatik. »Ich habe das Gefühl, wir sind angekommen«, sagt Aboud. 

»Die Integration funktioniert, weil Aboud so offen ist«, sagt Raphael Dimpfl. »Wenn man nicht gerade plant, mit ihm chinesisch essen zu gehen, dann ist er jedem und allem gegenüber aufgeschlossen.« Dimpfl war es, der Abouds Bewerbung eine Chance gab, als man in der Geschäftsstelle fürchtete, die Sprache könne eine Hürde sein. Da Dimpfl bereits einen türkischen, einen tunesischen und einen russischen NV betreute, hatte er keine Bedenken. Wesentliche Grundlagen für seinen Beruf brachte Aboud mit: sein Netzwerk, mithilfe dessen er einen großen Kundenstamm aufbauen konnte. Seine Geduld, mit der er permanent Anfragen per Telefon und Internet beantwortet. Die Direktheit, Kunden nach dem Gespräch noch zusätzlich eine Visitenkarte dazulassen und um Weiterempfehlung zu bitten. Auf diese Weise findet er neue Kunden und Nebenberufsvertreter. Er überzeugt Menschen mit Ehrlichkeit und Authentizität. Denn Aboud weiß: Jemand, der ein Auto im Wert von 2000 Euro besitzt, braucht keine Police von 180 Euro im Monat. Das geht günstiger. Und das sagt er ihm auch, wenn er zur Abwerberunde im Herbst die Tarife durchrechnet. Diese Direktheit beeindruckt Dimpfl. 

Der 37-Jährige hat selbst viel gelernt von Aboud. Dimpfl, der im Süden von München aufwuchs und mittlerweile in der Nähe von Regensburg lebt, hat durch den syrischen Freund sogar die nächste Umgebung neu kennengelernt, zum Beispiel die Stadt Nürnberg. Weniger die Altstadt mit ihren vielen Touristen, sondern die Viertel, wo die Kunden wohnen: Restaurantbesitzer, Autohändler, ein Imam. In Teestuben und in den arabischen Kulturzentren ist Aboud mit Dimpfl gegangen. Am Bahnhof hat er ihm ein »sensationelles« irakisches Restaurant gezeigt, in dem man frisch kocht, richtig lecker, mit eigener Ayran-Produktion. »Das findet man spontan niemals«, sagt Dimpfl. 

Für Aboud ist die Gemeinschaft das Wichtigste im Leben. Dass er mit der ganzen Familie beisammensitzen kann, wie früher nach der Moschee, daran will er im Moment nicht recht glauben. Zu verstreut sind die einzelnen Familienmitglieder, die Eltern leben getrennt, Mutter und Großmutter in der Türkei, der Vater in Algerien. »Ihn habe ich seit sieben Jahren nicht gesehen.« Ein wenig Trost findet Aboud bei seinen neuen Freunden. Gegen Ende des Gesprächs fällt Raphael Dimpfl ein: »Wir wollten doch mal mit unseren Frauen und Kindern zusammen ein Lamm grillen. Das haben wir immer noch nicht geschafft.« Vielleicht im nächsten Frühjahr. 

 

Dieser Text wurde veröffentlicht in der "Allianz Blaue Post"

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